(Vorheriger Post zu dieser Thematik: Aktivismus am Anschlag)
Ich dachte ursprünglich, dass das hier ein Text über mentale Stabilität im Ehrenamt werden würde. Ich glaube nicht, dass er das noch ist. Aber ich glaube es ist das wenige Sinnvolle, das ich beitragen kann: Ein Plädoyer für die Entkoppelung von mentaler Gesundheit und Produktivität.
Meine Freund*innen und die Menschen um mich rum sagen ja immer, dass man mehr über mentale Gesundheit reden sollte. Also, versuch ich’s: Seit Januar bin ich aus verschiedensten Gründen mental nicht stabil genug, um ehrenamtliches Engagement verantwortungsvoll wahrzunehmen. So. Da ist es.
die hochs und die tiefs.
Dass es gute und schlechte Phasen gibt, dass Menschen mal mehr und mal weniger motiviert und energiereich sind, gehört dazu, und ist eine Realität die uns, insbesondere in Jugendorganisationen und im politischen Engagement, bewusst sein sollte. That being said, war es vielleicht ganz normal, dass mein ehrenamtliches Engagement irgendwann (wieder) eine ruhigere Phase erreichen würde. Für viele der Personen um mich herum auch sicherlich vorhersehbar.
Statt in eine ruhigere Phase zu kommen, bin ich allerdings irgendwann um den Jahresbeginn in ein Tief gerutscht. Dachte ich zumindest. Je länger ich nun aber darin war, war es eher eine Winterstarre. Das Ding ist: Ich dachte immer, dass Tiefpunkte kontrollierbar und temporär sind. Vor allem aber war meine mentale Gesundheit immer ziemlich gut über eine lineare Skala von schlecht-bis-gut zu beschreiben. Und ich habe mentale Gesundheit immer als direkt gekoppelt an meine produktive Schöpfungskraft wahrgenommen. Ging es mir schlecht, war ich unproduktiv, ging es mir gut, konnte ich schreiben, arbeiten, Ideen spinnen, Dinge organisieren wie noch was. So langsam realisiere ich zum ersten Mal, dass es vielleicht nicht so einfach ist.
das andere ende der skala.
Ehrenamtliche sind mittlerweile ganz gut darin, gegenseitig anzuerkennen, dass man in Phasen schlechter mentaler Gesundheit öfters auch unproduktiv ist. Aber was ist mit den Phasen, in denen es einem mental gut geht?
Was ich erlebt habe war nicht einfach ein durchgängiges emotionales und mentales Tief von 8 Monaten. Dieses Mal habe ich selbst in den Phasen, in denen es mir gut ging, nichts mehr zustande gebracht. Und ich hatte nicht erwartet, dass das sich so anfühlen würde. Das war mir neu. Daher war das Schlimmste an der dauerhaften Energielosigkeit auch nicht das down sein. Denn, ehrlich gesagt, ging es mir zwar schon ziemlich lang ziemlich schlecht, aber dann auch phasenweise wieder relativ lang relativ gut. Das Schlimmste waren und sind die Schuldgefühle. Und obwohl ich Freund*innen um mich habe, die mir Mut zusprachen, die mir sagten, dass es okay sei, wusste und weiß ich auch, dass es doch andere Menschen sind, die ich im Stich gelassen habe. Being down apparently includes letting other people down.
meine schuld.
Ich habe mich schuldig gemacht – indem ich im November des vorigen Jahres eine Position im Koordinationsteam des Fachforums Globales & Europa der Grünen Jugend angenommen habe, der ich schon kurz danach nicht mehr gewachsen war. Das Annehmen dieser ehrenamtlichen Position war ein Versprechen, mein Bestes zu tun, um Mitglieder innerhalb der Grünen Jugend miteinander zu vernetzen, zu bilden, sprachfähig zu machen, und zu unterstützen wo ich nur kann. Dieses Versprechen habe ich durch meine Passivität nicht eingehalten. Dass ich nicht die besten Startbedingungen hatte – geschenkt. Aber ich habe nicht mein Bestes getan. Ich habe gar nichts getan. Und ich habe das nicht mal mehr aussprechen können.
Ich bin mir dieser Schuld bewusst, und es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Art und Weise, wie ich mich aufrichtig entschuldigen kann. Das schmerzt und ist eine Last, die ich noch eine Weile mit mir rumtragen werde. Aber das ist auch die Realität. Und vielleicht hilft es zumindest, diese als solche anzuerkennen. Meine persönlichen Probleme entschuldigen in jedem Fall nicht mein Verhalten. Mein Dank dagegen – was auch immer er noch wert sein mag – geht an die Person, die auch während dieser Abwesenheit den Laden am Laufen gehalten hat.
abschluss.
Das Beste, das ich jetzt noch tun kann, ist Menschen davor zu bewahren, sich ebenfalls wie ich unter einem immer größer werdenden selbstauferlegten Berg von Schuldgefühlen begraben zu lassen. Wir müssen Produktivität und mentale Gesundheit entkoppeln. Gute mentale Gesundheit darf keine hohe Produktivität einfordern, und ist vielleicht viel mehr an ein gewisses Maß von Nicht-Produktivität gebunden.
Ich weiß, dass diese Entkoppelung ein Projekt ist, das nicht in einem Blogpost erledigt ist. Aber ich glaube, dass es mir geholfen hätte, zu wissen und zu akzeptieren, dass es mir auch gut gehen darf und ich trotzdem nicht in der Lage bin, produktive Leistungen für meinen Jugendverband zu erbringen. Ich hoffe, dass dieser Text hier vielleicht zumindest irgendjemandem hilft. Freuen würde es mich. Denn im Endeffekt gibt es zu viel Ungerechtigkeit und Unfrieden auf dieser Welt, um unsere Schuld uns in Winterstarren versetzen zu lassen. Denn momentan gilt (leider) immer noch: Welt retten ist Handarbeit. Und jede verdammte Hand zählt.
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